Die Gruppe der perfluorierten und polyfluorierten Alkylverbindungen, kurz PFAS, sieht sich mit heftiger Kritik konfrontiert. Während in den USA ab 2026 eine Meldepflicht in Kraft tritt, steht in Europa seit Anfang 2023 sogar ein umfassendes, branchenübergreifendes Verbot dieser Stoffgruppe im Raum. Besonders kritisch wäre dabei ein Verbot von Fluorpolymeren. Würden diese Hochleistungswerkstoffe wegfallen, wären einschneidende Auswirkungen für eine Vielzahl von Industrien die Folge.
Doch kommen Dichtungen überhaupt ohne Fluorpolymere aus? Wie stehen die Chancen, PFAS durch andere, adäquate Stoffe komplett zu ersetzen?
Solchen Fragen ist das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik (IWM) in einer aktuellen Studie nachgegangen.
Inhalt:
Die PFAS-Regulierung ist ein globales Thema
Die Regulierung von Produkten, die PFAS enthalten, ist kein Thema, das nur Deutschland und die EU betrifft. Vielmehr haben Länder auf der ganzen Welt damit begonnen, PFAS zu regulieren, oder denken zumindest darüber nach, Gesetze und Verordnungen auf den Weg zu bringen.
In den USA hat die Umweltschutzbehörde auf Bundesebene eine Meldepflicht eingeführt, die ab Januar 2026 gilt. Demnach ist für Unternehmen eine Berichterstattung und Aufzeichnung vorgeschrieben, die zwischen 2011 und 2022 PFAS in den USA produziert oder PFAS und Halbzeuge sowie Produkte mit PFAS in die USA importiert haben.
Zusätzlich dazu haben einzelne Bundesstaaten beschlossen, die Verwendung von PFAS zu beschränken oder eine Meldung darüber zu verlangen. Je nach Bundesstaat gehen der Umfang der Vorgaben und die Fristen aber weit auseinander.
Die Europäische Union hat 2020 in ihrer Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit ein Null-Schadstoff-Ziel formuliert. Dieses soll sowohl Bürger:innen als auch die Umwelt besser vor schädlichen Chemikalien schützen. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Chemikalienagentur ECHA im Februar 2023 einen Vorschlag zur Regulierung der Stoffklasse der per- und polyflourierten Alkylstoffe veröffentlicht.
Der Vorschlag wurde von fünf EU-Staaten erarbeitet und sieht vor, dass es weitestgehend verboten sein soll, PFAS herzustellen, zu verwenden, in Verkehr zu bringen und zu importieren. Bis Ende September 2023 hatten betroffene Unternehmen und Organisationen die Möglichkeit, sich dazu zu äußern, welche naturwissenschaftlichen und sozioökonomischen Auswirkungen ein solches Verbot haben könnte.
Über 4.400 Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen nutzten die Gelegenheit, kommentierten in mehr als 5.600 Beiträgen das Gesetz und stellten ergänzende Informationen bereit.
Der Tenor war, dass die Ziele der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit grundsätzlich unterstützt werden. Bei der Regulierung von Chemikalien wie PFAS muss es aber einen differenzierten Ansatz auf Basis der Risiken geben.
Bei Dichtungen sind Fluorpolymere unverzichtbar
In die Gruppe der PFAS gehören über 10.000 verschiedene Stoffe. Diese lassen sich in zwei große Gruppen einteilen, nämlich zum einen in die niedermolekularen per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen und zum anderen in die Fluorpolymere mit großen Molekülen.
Die jetzt veröffentliche Studie des IWM namens „Replacement of Polymeric PFAS in Industrial Applications with Harsh Environments“ zeigt auf, dass in der Dichtungsindustrie vor allem Fluorpolymere derzeit unverzichtbar sind.
Die Stoffe werden in einem sehr breiten Anwendungsspektrum eingesetzt, darunter in Kompressoren, Motoren, Getrieben und Antriebssystemen, in der Hydraulik oder in der Pharma-, Nahrungs- und Getränkeindustrie.
Fluorpolymere verlangen nach einer faktenbasierten Diskussion
Die Autoren der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass es gerade bei Dichtungen aktuell unmöglich ist, PFAS vollständig zu ersetzen, wenn die Materialeigenschaften, die Leistungsfähigkeit und die Lebensdauer der Produkte nicht maßgeblich eingeschränkt werden sollen. Angesichts der mehr als 10.000 verschiedenen PFAS-Verbindungen setzen sie sich dafür ein, dass die Diskussion über eine Regulierung dieser Stoffklasse differenziert und faktenbasiert geführt wird.
Fluorpolymere wie FKM oder PTFE gelten als „Polymere mit geringer Besorgnis“. Diese Bezeichnung wird für Polymere verwendet, die erwartungsgemäß nur geringe Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben.
Insofern könnte die Betrachtung des Lebenszyklus von Fluorpolymeren ein schlüssiges Verfahren sein, um die potenzielle Gefahr für den Menschen und die Umwelt realistisch einzuschätzen.
Alle Beteiligten und Betroffenen sind sich darin einig, dass polymere PFAS sicher hergestellt und entsorgt werden müssen.
Solange wir die notwendige Sorgfalt walten lassen, um schädliche Umweltauswirkungen zu verhindern, sollten wir in der Industrie Fluorpolymere weiterhin verwenden dürfen.
Nach Ersatzstoffen wird gesucht
Obwohl es noch keinen verbindlichen Zeitplan dafür gibt, wenn eine europäische PFAS-Regelung eingeführt wird, bereitet sich die Industrie schon jetzt auf mögliche Veränderungen vor. Auch wenn auf Fluorpolymere derzeit nicht verzichtet werden kann, wird mit Hochdruck nach Ersatzstoffen gesucht.
Dabei hat die Kunststoffindustrie schon mehrfach ihre Expertise in der Entwicklung von Thermoplasten, Elastomeren und anderen polymeren Materialien für industrielle Hochleistungsanforderungen unter Beweis gestellt.
Polymere waren immer wieder der Schlüssel zu neuen Technologien und wir sind überzeugt davon, dass es auch in Zukunft gelingen wird, innovative Lösungen für neue Herausforderungen zu finden.