Die Kunststofftechnik befasst sich mit der Erforschung und Anwendung der physikalischen, chemischen, biologischen und physiologischen Eigenschaften von Kunststoffen. Sie hat sich als eigenständiger Zweig aus der Verfahrenstechnik entwickelt.
Ziel der Kunststofftechnik ist die Entwicklung und Auswahl von Kunststoffen mit den für die jeweilige Anwendung erforderlichen Eigenschaften.
Dazu gehört in der Regel auch die Suche nach neuen Anwendungen, die Optimierung von Verarbeitungsprozessen und die werkstoffgerechte Konstruktion von Bauteilen. Hier finden Sie unseren kleinen Überblick über die BKM-Kunststofftechnologie.
Inhalt:
Das Wesen der Kunststofftechnik
Die Kunststofftechnik fokussiert sich auf das Kunststoffprodukt und seine spezifischen Anwendungsmerkmale. Die notwendigen und geforderten Produkteigenschaften sollen mit dem kleinstmöglichen Einsatz an Ressourcen erreicht werden.
Dazu verknüpfen wir naturwissenschaftliche Erkenntnisse und technische Fertigkeiten aus den Bereichen Werkstoffkunde, Kunststoffverarbeitung und Konstruktion miteinander. Die Kunststofftechnik ist das Zusammenspiel aus diesen drei Bereichen.
Allerdings befasst sich die Kunststofftechnik nicht nur mit Kunststoffen und den Erzeugnissen daraus. Auch die Prozesse, um Kunststoffe aufzubereiten und zu Kunststoffprodukten zu verarbeiten, sowie die dafür notwendigen Maschinen und Werkzeuge gehören zu ihrem Spektrum.
Gleiches gilt für das Recycling von Kunststoffen.
Damit sind die Aspekte des Kreislaufs von Kunststoffen, der sogenannten Circular Economy, ein wesentlicher Bestandteil der Kunststofftechnik und gleichzeitig prägend für ihre Positionierung in der Wertschöpfungskette.
In der Kunststofftechnik greifen wir neben Erkenntnissen aus Wissenschaft, Forschung und Technik auch auf eigene Erfahrungswerte, Intuition und Kreativität zurück, um neue, anwendungsspezifische und kundenorientierte Lösungen zu finden.
Weil die Konstruktion, der Werkstoff und der Verarbeitungsprozess eng miteinander verzahnt sind und sich gegenseitig beeinflussen, müssen sie im Zusammenspiel betrachtet werden.
Die Werkstofftechnik zielt darauf ab, Kunststoffe zu optimieren, während die Verarbeitungstechnik Maschinen, Werkzeuge und Prozesse verbessern will. Eine möglichst optimale Ausgestaltung der Kunststoffprodukte als solche macht sich die Konstruktionstechnik zur Aufgabe.
Die Kombination daraus ergibt die gesamte Bandbreite der Kunststofftechnik.
Die Kunststofftechnik in der Praxis
Ob als Bauteil im Fahrzeug, als Schlauch im Garten oder als Behälter der Zahnpasta:
Kunststoffe begleiten uns ständig und überall. Als Teilgebiet der Fertigungstechnik kümmert sich die Kunststofftechnik darum, Kunststoffe auszuwählen und zu verarbeiten.
Eine wesentliche Überlegung dabei ist, wo und wie die Kunststoffe eingesetzt werden sollen. Eine Kunststoffkomponente im Motor einer Maschine ist schließlich anderen Belastungen ausgesetzt und muss sich anders verhalten als eine Wurstverpackung.
Neben der Form und der Anwendung eines Produkts berücksichtigen wir außerdem die Stückzahl. Denn wichtig ist auch, dass wir wirtschaftlich produzieren können.
Die Eigenschaften von Kunststoffen
Um geeignete Verarbeitungsverfahren auswählen zu können, müssen die grundlegenden Eigenschaften von Kunststoffen bekannt sein.
Damit die Eigenschaften besser nachvollziehbar sind, werden Kunststoffe in drei große Gruppen eingeteilt:
- Thermoplaste haben lineare oder verzweigte Molekülketten.
- Elastomere sind nur schwach vernetzt.
- Duroplaste verfügen über eine stark vernetzte Struktur.
Je nachdem, zu welcher Gruppe ein Kunststoff gehört, sieht die Kurve seines Schubmoduls, das über die elastische Verformung informiert, unterschiedlich aus. Generell lassen sich Kunststoffe dadurch beeinflussen, dass die Temperatur geändert und die Druckkraft variiert wird.
Sobald ein Kunststoff das Fließgebiet erreicht hat, ist er so stark verformt, dass er auch dann nicht mehr in seinen Ausgangszustand zurückkehrt, wenn die Belastung aufhört.
Die Vernetzung lässt sich mit kleinen Ärmchen vergleichen, die die Molekülketten zusammenhalten. Je stärker ein Kunststoff vernetzt ist, desto mehr dieser Ärmchen gibt es. Beginnt der Kunststoff zu fließen, sind die Ärmchen so weit auseinandergerissen, dass sie nicht mehr bis an die Ketten reichen.
Ein Duroplast, der stark vernetzt ist und dadurch sehr viele Ärmchen hat, muss deshalb mit deutlich mehr Kraft belastet werden, bis er fließt, als ein Thermoplast.
Die Verhaltensweisen von Kunststoffen
Um die Eigenschaften eines Kunststoffs zu modifizieren, fügen wir ihm Zuschlagstoffe hinzu. Bei diesen sogenannten Additiven kann es sich um lösliche Zusätze handeln, die chemisch oder physikalisch wirken. Daneben kommen unlösliche Gase oder Feststoffe infrage, die den Kunststoff verstärken oder sein Volumen erhöhen.
Kunststoffe zählen zu den nicht-linearen, viskoelastischen Werkstoffen. Aus diesem Grund hängt ihr Verhalten bei Außeneinflüssen vom Zeitfaktor ab. Bleibt die Belastung konstant, verformt sich der Kunststoff im Laufe der Zeit immer mehr. Im Unterschied dazu nimmt die Spannung bei einer gleichbleibenden Verformung mit der Zeit ab. Diesen Vorgang nennen wir Erholen oder Relaxieren.
Wird die Temperatur erhöht, beschleunigt sich das zeitabhängige Verhalten. Die Beanspruchung hat also großen Einfluss darauf, wie sich ein Kunststoff verhält.
Wird zum Beispiel die Spannung verdoppelt, ist die Verformung nicht ebenfalls doppelt so stark, sondern deutlich stärker. Das liegt daran, dass Kunststoffe nicht-linear viskoelastisch sind. Alle diese Faktoren muss die Kunststofftechnik bei der Konstruktion und Fertigung berücksichtigen.
Die Verarbeitungsverfahren in der Kunststofftechnik
Ein für die Weiterverarbeitung hergestellter Kunststoff liegt meist als Granulat vor. Das Granulat bereiten wir auf, indem wir es fördern, dosieren und mischen.
Eines der wichtigsten Verfahren in der anschließenden Verarbeitung ist die Extrusion.
Mithilfe von rotierenden Schnecken übt ein Extruder Druck auf das eingefüllte Kunststoffgranulat aus. Am Ende des Extruders tritt der Kunststoff als gepresste Stange aus der Düse aus und kann direkt in Stücke zerteilt werden.
Je nach Form der eingesetzten Schnecken wird der Kunststoff gemischt, gefördert oder auch entgast. Bei einem thermoplastischen Kunststoff können wir außerdem mit Wärme arbeiten, um den Kunststoff aufzuschmelzen.
In der Kunststofftechnik setzen wir die Extrusion ein, um zum Beispiel Profile, Rohre, Platten oder Folien herzustellen.
Der Spritzguss
Ein weiteres sehr wichtiges Verfahren in der Kunststofftechnik ist der Spritzguss. Bei diesem vollautomatischen Fertigungsverfahren entstehen fertige Bauteile, die in aller Regel auch nicht mehr nachbearbeitet werden müssen.
Ein ähnliches Phänomen kennen Sie vielleicht vom Kuchenbacken. Manchmal zieht sich ein Kuchen beim Abkühlen so sehr zusammen und fällt ein, dass am Rand der Form kleine Stücke kleben bleiben.
In der Kunststofftechnik sprechen wir an dieser Stelle von der Schwindung. Für eine gleichbleibende Qualität müssen wir die Schwindung durch den Nachdruck ausgleichen.
Zum Schluss wird das Werkzeug geöffnet und das fertige Formteil ausgeworfen. Der ganze Ablauf dauert nur wenige Augenblicke, weshalb sich der Spritzguss sehr gut für die Massenproduktion eignet.
Außerdem können wir die Grundtechnik variieren. So ist zum Beispiel möglich, dass wir Bauteile fertigen, deren Kernmaterial wie bei einem Sandwich von einem anderen Außenmaterial umgeben ist.
Dazu wird zunächst das Außenmaterial in das Werkzeug eingespritzt, anschließend das Kernmaterial und danach erneut das Außenmaterial.
Das Blasformen
Für die Fertigung eines hohlen Bauteils wie einer Flasche oder eines Tanks folgt auf den Extruder ein Verfahrensschritt namens Blasformen. Den Anfang dabei macht das Urformen, bei dem ein sogenannter Vorformling aus der Düse des Extruders austritt.
Bevor der Vorformling in der richtigen Länge abgeschnitten wird, wird er von einem Blasformwerkzeug umschlossen. Danach kann das Umformen ablaufen, durch das das Bauteil seine endgültige Form erhält.
Dazu bläst ein Blasdorn Luft in den Hohlraum. Wenn das Bauteil abgekühlt ist, wird es ausgeworfen. Eine Abwandlung ist das Streckblasen. Hier bläst der Dorn den Vorformling auf und zieht ihn gleichzeitig in die benötigte Länge.
Die Verarbeitung von Pressmassen
Im Unterschied zu Thermoplasten werden Duroplasten hauptsächlich in Form von Press- oder Formmassen hergestellt. Dabei handelt es sich um ein Gemisch aus Füllstoffen und Harzen, oder genauer Polykondensationsharzen.
Wenn die vorvernetzte Pressmasse zum Urformen in ein Werkzeug gegeben wird, führt der Einfluss von Wärme dazu, dass die Polykondensation weitergeht. Dabei wird die Reaktion so lange fortgesetzt, bis der Duroplast unschmelzbar und unlöslich ist.
Bevor eine duroplastische Pressmasse in das Werkzeug eingefüllt werden kann, muss sie deshalb zunächst erwärmt werden. Um sicherzustellen, dass sich die Masse optimal verteilt und das Kondensat entweichen kann, wird sie weiter verflüssigt und entlüftet.
Danach kann das Werkzeug das Bauteil urformen. Nachdem das Bauteil im Werkzeug abgekühlt und ausgehärtet ist, wird es ausgeworfen und schließlich entgratet. Alle diese Schritte finden in einer automatisierten Pressanlage statt, die in aller Regel mit dem Spritzgussverfahren arbeitet.
Elastomere im Kautschuk-Innenmischer
Um den Ausflug in die Welt der Kunststofftechnik abzurunden, schauen wir uns noch die Elastomere an. Hier wird der Ausgangsstoff zunächst mit Additiven wie Füllstoffen, Weichmachern und anderen Chemikalien so vermischt, dass ein maßgeschneiderter Kunststoff entsteht.
Je nach Zusammensetzung werden die Kautschukpolymere in vier Gruppen eingeteilt:
- Rubber-Typen mit Doppelbindungen in der Hauptkette
- Methylen-Typen mit einer gesättigten Hauptkette
- Q-Typen, auch Silikonkautschuke genannt
- U-Gruppe, auch als Polyurethankautschuke bezeichnet
Um die gewünschte Zusammensetzung zu erhalten, kommen die Ausgangssubstanzen in einen Kautschuk-Innenmischer. Er knetet und presst die Materialien zu einer gleichmäßigen Masse.
Das für Elastomere typische elastische Verhalten entsteht, indem der anfangs noch thermoplastische Kautschuk einen Vulkanisationsprozess durchläuft. Die Zugabe von Schwefel und die Zufuhr von Wärme lösen dann die Vernetzungsreaktion aus.
Nach der Vulkanisation tritt die Masse durch die Düse des Extruders entweder als Pressmasse oder als Streifen aus. Wir können sie dann durch Pressen oder Spritzgießen weiterverarbeiten.
FAQ: Aktuelle Trends in der Kunststofftechnik
Welche Rolle spielen Smart Materials und Funktionsintegration in der Kunststofftechnik?
Smart Materials sind ein aufstrebendes Gebiet, das die Kunststofftechnik revolutioniert. Neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnen sich durch die Integration von Funktionen wie Sensorik, Aktorik oder Selbstheilung direkt in den Kunststoff. Diese intelligenten Merkmale ermöglichen neben Effizienzsteigerungen auch die Entwicklung innovativer Produkte mit verbesserten Leistungseigenschaften und zusätzlichen Funktionalitäten.
Welche Vorteile bieten Smart Materials für verschiedene Branchen?
Vorteile: Sie können sie z.B. in der Automobilindustrie zur Erhöhung der Sicherheit und zur Verbesserung des Komforts beitragen, indem sie auf Umgebungsbedingungen reagieren. In der Medizintechnik ermöglichen sie intelligente Implantate oder Medizingeräte mit Überwachungsfunktionen. Auch in der Bauindustrie können Smart Materials zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden und zur Erhöhung des Komforts für die Bewohnerinnen und Bewohner beitragen.
Warum gewinnen Nachhaltigkeit und Umweltaspekte in der Kunststofftechnik an Bedeutung?
Nachhaltigkeit und Umweltaspekte sind aufgrund der zunehmenden Umweltbelastung durch Kunststoffabfälle und der Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen ein zentrales Thema. Die Entwicklung umweltverträglicherer Kunststoffe, das Recycling von Kunststoffen und die Reduzierung von Kunststoffabfall stehen daher im Fokus. Insbesondere die Konzepte der Kreislaufwirtschaft und des nachhaltigen Designs tragen dazu bei, die Auswirkungen der Produktion und Verarbeitung von Kunststoffen auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten.
Wie tragen umweltfreundlichere Kunststoffe zur Nachhaltigkeit bei?
Umweltverträglichere Kunststoffe werden aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt oder können biologisch abgebaut werden. Dadurch wird die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen verringert und die Umweltbelastung bei Herstellung und Entsorgung reduziert. Diese Materialien tragen dazu bei, die natürlichen Ressourcen zu schonen und die Menge an Kunststoffabfällen zu reduzieren, was insgesamt zu einem nachhaltigeren Umgang mit Kunststoffen führt.
Welche Rolle spielt das Recycling von Kunststoffen für die Nachhaltigkeit?
Das Recycling von Kunststoffen spielt durch die Verringerung der Menge an Kunststoffabfällen und die Verbesserung der Ressourceneffizienz eine entscheidende Rolle für die Nachhaltigkeit. Durch die Wiederverwendung von Kunststoffen können Energie und Rohstoffe eingespart werden. Darüber hinaus trägt das Recycling dazu bei, die Auswirkungen von Kunststoffabfällen auf die Umwelt zu reduzieren und den ökologischen Fußabdruck der Kunststoffindustrie so gering wie möglich zu halten.
Wie unterstützen die Konzepte der Kreislaufwirtschaft und des nachhaltigen Designs die Nachhaltigkeitsziele der Kunststofftechnik?
Die Konzepte der Kreislaufwirtschaft und des nachhaltigen Konstruierens ermutigen dazu, den gesamten Lebensweg von Kunststofferzeugnissen von der Herstellung über die Nutzung bis zur Entsorgung zu betrachten. Durch die Förderung von Recycling, Wiederverwendbarkeit und Ressourceneffizienz sollen die Auswirkungen der Kunststoffindustrie auf die Umwelt minimiert und die nachhaltige Nutzung von Kunststoff gefördert werden.